Dünnhäutig

Am Mittwoch hatte ich einen sehr dünnhäutigen Tag.
Ich war auf dem Weg zum Zahnarzt und deshalb sowieso schon leicht angespannt.
In der U-Bahn wurde ich von einem Mädchen sehr unangenehm gemustert, sowas kann ich schon nicht leiden und die innere Spannung verstärkte sich augenblicklich.
Lediglich meine gute Erziehung hat mich davon abgehalten, mich woanders hinzusetzen. (Wär aber gscheiter gewesen, offensichtlich war das Mädel ja schlecht erzogen, sonst hätte sie sich deutlich diskreter verhalten.)

Dann steigt ein kleines, fröhliches Mädchen ein, vielleicht dreijährig mit dicken Rastazöpfen und breitem Lachen - mein Herz öffnet sich ...

... und zieht sich sofort krampfartig zusammen, als die Mutter oder große Schwester von der andern Seite angeschossen kommt. Sie packt das Kind, dem das Lachen im Gesicht gefriert, am Arm und zerrt es laut schimpfend aus meiner Sichtweite.
Ja, es ist gefährlich, wenn ein Kind einfach wegläuft und allein einen andern Einstieg benutzt. Ist schon oft genug vorgekommen, daß ein Kind in den Spalt zwischen Bahnsteig und Tür gestolpert ist und es kann böse enden.
Doch das Einbrechen der erbosten Erwachsenen in die fröhliche Szene hatte etwas unglaublich Brutales und als das kleine Mädchen irgendwo hinter mir zu weinen begann, stiegen mir fast selbst Tränen in die Augen.

Nach dem Zahnarzt hatte ich Schmerzen, in der Apotheke stand ein freundlicher, wenngleich absolut verwahrloster junger Mann, der sich irgendein Mundpflegemittel geholt hatte und vom Apotheker freundlich gebeten wurde, seine Zahnfleischwunden doch bitte draußen einzuschmieren.
Vermutlich wieder ein Junkie, wobei ich mich nicht erinnern kann, daß die Junkies früher ähnliche Zahnfleischschäden hatten. Ich will jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen, aber ich glaube, da steckt eine andere Droge dahinter. Vielleicht Crystal Meth, auf jeden Fall tippe ich auf was, was früher nicht so verbreitet war.

Wie schon einen Tag zuvor, als ich kurz in Berührung mit einem andern Drogenabhängigen kam, tat es mir im Herzen weh, wie heruntergekommen der Mann war.
Es ist erschreckend, wieviel Leid es rund um uns gibt, wie erfolgreich ich es ausblenden kann (gerade, wenn ich nicht den öffentlichen Verkehr nutze) und wie wenig ich dagegen tun kann.
Ich muß dann immer drüber nachdenken, welche Umstände und Erlebnisse zu diesem Zustand geführt haben, wie der Alltag für diesen Menschen aussehen mag.
Furchtbar!!
Doch die Überlegungen führen zu nix.
Ich halte mir dann immer vor Augen, daß ich in meinem Job, der ganz niederschwelligen Betreuung von Kindern, vielleicht den einen oder andern vor solch einem Schicksal bewahren kann. Und daß sich die Unterstützung, die wir den Kindern geben, über die Jahre potenziert, weil einige Kinder es dann später selbst weitergeben an die nächste Generation.
Es mag ein Tropfen auf den heißen Stein sein, aber ich werd die Welt nunmal nicht retten können.

Auf der Fahrt nach Hause - endlich im Auto, meinem geschützten Raum! - hat mich folgendes Lied getröstet:

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